Darf der Arbeitgeber Minusstunden anordnen? Ihr umfassender Ratgeber

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Darf der Arbeitgeber Minusstunden anordnen? Ihr umfassender Ratgeber
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Haben Sie am Ende des Monats plötzlich weniger Gehalt auf dem Konto? Der Grund: Minusstunden. Doch dürfen Arbeitgeber diese einfach so anordnen und mit Ihrem Lohn verrechnen?

Diese Frage sorgt bei vielen Arbeitnehmern für Unsicherheit und Konflikte.

In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie über Minusstunden wissen müssen. Wir klären, wann Ihr Chef im Recht ist, welche Rolle Ihr Arbeitsvertrag spielt und wie Sie sich wehren können. Lesen Sie jetzt weiter und sichern Sie sich Ihr volles Gehalt.

Das Wichtigste in Kürze
  • Grundsätzliches Verbot: Arbeitgeber dürfen Minusstunden nicht einseitig anordnen. Das Risiko für Arbeitsausfälle trägt grundsätzlich der Arbeitgeber.
  • Arbeitszeitkonto: Eine wirksame Regelung zu Minusstunden erfordert meist ein Arbeitszeitkonto, das im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung klar definiert ist.
  • Keine Arbeitspflicht, kein Lohn: Nur wenn Sie als Arbeitnehmer die Minusstunden selbst verschuldet haben (z. B. durch unentschuldigtes Fehlen), ist eine Verrechnung möglich.
  • Annahmeverzug des Arbeitgebers: Schickt Ihr Chef Sie nach Hause, weil es keine Arbeit gibt, gerät er in Annahmeverzug. Diese Zeit darf nicht als Minusstunden gewertet werden.
  • Prüfen Sie Ihren Vertrag: Die genauen Regelungen zu Über- und Minusstunden müssen transparent und verständlich in Ihrem Arbeitsvertrag oder einem Tarifvertrag festgehalten sein.

Die rechtliche Grundlage: Wer trägt das Risiko für Arbeitsausfälle?

Grundsätzlich gilt im deutschen Arbeitsrecht das sogenannte Betriebsrisiko. Das bedeutet, der Arbeitgeber trägt das Risiko, wenn nicht genügend Arbeit für seine Angestellten vorhanden ist. Kann Ihr Chef Ihnen also keine Aufgaben zuweisen, beispielsweise aufgrund von Auftragsschwankungen oder organisatorischen Problemen, ist das sein unternehmerisches Risiko.

Er darf Sie in einem solchen Fall zwar nach Hause schicken, muss Ihnen aber Ihren vollen Lohn weiterzahlen. Diese Zeit darf nicht als Minusstunden auf Ihrem Arbeitszeitkonto verbucht werden. Juristen sprechen hier vom Annahmeverzug des Arbeitgebers. Er „verweigert“ quasi die Annahme Ihrer Arbeitsleistung, obwohl Sie diese angeboten haben.

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Was bedeutet das konkret für Sie? Wenn Ihr Vorgesetzter Sie früher nach Hause schickt, weil die Auftragslage schlecht ist, dürfen Ihnen daraus keine finanziellen Nachteile entstehen.

Die Anordnung von Minusstunden ist daher an strenge Voraussetzungen geknüpft.

Wann sind Minusstunden überhaupt zulässig? Die Rolle des Arbeitszeitkontos

Minusstunden sind nur dann rechtens, wenn es eine klare und wirksame Vereinbarung dazu gibt. Dreh- und Angelpunkt ist hierbei in der Regel ein Arbeitszeitkonto.

Ein solches Konto muss schriftlich vereinbart sein. Dies geschieht entweder direkt in Ihrem Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem anwendbaren Tarifvertrag. Ohne eine solche Grundlage ist die Verrechnung von Minusstunden unzulässig.

Was muss eine wirksame Arbeitszeitkonto-Regelung beinhalten?

Eine Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto muss transparent und verständlich sein. Sie sollte klare Antworten auf folgende Fragen geben:

  • Wie werden Plus- und Minusstunden erfasst?
  • In welchem Zeitraum müssen Minusstunden ausgeglichen werden?
  • Wie viele Minusstunden dürfen maximal angesammelt werden?
  • Was geschieht mit den Stunden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses?

Ist die Klausel in Ihrem Arbeitsvertrag unklar oder benachteiligt Sie unangemessen, kann sie unwirksam sein.

Ergänzendes Wissen

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt die Höchstarbeitszeiten und Ruhepausen, enthält aber keine direkten Vorschriften zu Minusstunden. Die rechtliche Bewertung ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte.

Darf der Arbeitgeber Minusstunden anordnen, wenn Sie selbst verantwortlich sind?

Eine wichtige Ausnahme besteht, wenn Sie als Arbeitnehmer die Minusstunden selbst verschuldet haben. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen Arbeitsausfall, den der Arbeitgeber zu verantworten hat.

Beispiele für selbst verschuldete Minusstunden sind:

  • Sie kommen wiederholt zu spät zur Arbeit.
  • Sie nehmen ohne Absprache längere Pausen.
  • Sie gehen früher, um einen privaten Termin wahrzunehmen, ohne dies genehmigen zu lassen.

In solchen Situationen verletzen Sie Ihre vertragliche Arbeitspflicht. Die dadurch entstehende Fehlzeit kann als Minusstunden verbucht und unter Umständen mit Ihrem Gehalt verrechnet oder ein Nacharbeiten angeordnet werden.

Der Unterschied: Annahmeverzug vs. Ihr Verschulden

Es ist entscheidend, genau zu unterscheiden, wer die fehlende Arbeitszeit zu verantworten hat. Die folgende Tabelle hilft Ihnen dabei, die Situation besser einzuschätzen.

SituationVerantwortungFolge für Minusstunden
Chef schickt Sie wegen Auftragsmangel heimArbeitgeber (Annahmeverzug)Anordnung von Minusstunden unzulässig
Sie gehen früher zum Arzt (ohne Krankmeldung)Arbeitnehmer (Selbstverschulden)Anordnung von Minusstunden zulässig
Eine Maschine ist defekt, Sie können nicht arbeitenArbeitgeber (Betriebsrisiko)Anordnung von Minusstunden unzulässig
Sie nehmen einen unbezahlten UrlaubstagArbeitnehmer (nach Absprache)Verrechnung als Minusstunden möglich
Ein Betriebsausflug wird kurzfristig abgesagtArbeitgeber (Organisationsverschulden)Anordnung von Minusstunden unzulässig

Minusstunden bei Krankheit und Urlaub: Was gilt hier?

Krankheitstage dürfen niemals zu Minusstunden führen. Wenn Sie krankgeschrieben sind, haben Sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die im Dienstplan vorgesehenen Stunden müssen Ihnen gutgeschrieben werden, als hätten Sie gearbeitet.

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Auch während Ihres gesetzlichen Erholungsurlaubs dürfen keine Minusstunden entstehen. Ihr Urlaubsanspruch dient der Erholung und darf nicht durch finanzielle Sorgen oder die Angst vor Minusstunden beeinträchtigt werden. Für jeden Urlaubstag ist Ihnen die durchschnittlich geschuldete Arbeitszeit gutzuschreiben.

Ergänzendes Wissen

Der Kündigungsschutz wird durch Minusstunden nicht direkt berührt. Eine ordentliche Kündigung allein wegen eines negativen Arbeitszeitkontos ist in der Regel nicht möglich, es sei denn, es liegt eine schwere Pflichtverletzung vor.

Was tun, wenn der Arbeitgeber unrechtmäßig Minusstunden anordnet?

Wenn Sie feststellen, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen zu Unrecht Minusstunden berechnet, sollten Sie handeln. Ignorieren Sie das Problem nicht, da es Sie bares Geld kosten kann.

Ihre Handlungsmöglichkeiten:

  • Suchen Sie das Gespräch: Der erste Schritt sollte immer ein klärendes Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten oder der Personalabteilung sein. Weisen Sie freundlich, aber bestimmt auf die Rechtslage hin.
  • Fordern Sie eine Korrektur: Verlangen Sie schriftlich eine Korrektur Ihres Arbeitszeitkontos und die Nachzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Gehalts. Setzen Sie hierfür eine angemessene Frist.
  • Holen Sie sich Unterstützung: Wenn das Gespräch zu keinem Ergebnis führt, wenden Sie sich an den Betriebsrat, falls vorhanden. Dieser hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung von Arbeitszeitkonten.
  • Anwaltliche Hilfe: Als letzter Schritt bleibt der Gang zu einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dieser kann Ihre Ansprüche prüfen und notfalls vor dem Arbeitsgericht einklagen.

Vergessen Sie nicht, Ihre Arbeitszeiten genau zu dokumentieren. Eine lückenlose Zeiterfassung ist das beste Beweismittel, um unberechtigte Abzüge nachzuweisen.

Fazit: Kennen Sie Ihre Rechte

Die Frage, ob der Arbeitgeber Minusstunden anordnen darf, lässt sich nicht pauschal beantworten, tendiert aber klar zu einem „Nein“. Grundsätzlich trägt Ihr Arbeitgeber das Risiko für fehlende Arbeit. Eine einseitige Anordnung von Minusstunden, weil gerade nichts zu tun ist, ist daher unzulässig.

Nur mit einer klaren, fairen und vertraglich festgehaltenen Arbeitszeitkonto-Regelung und bei selbst verschuldeten Fehlzeiten können Minusstunden entstehen. Prüfen Sie daher genau Ihren Arbeitsvertrag und wehren Sie sich gegen unberechtigte Gehaltskürzungen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was passiert mit Minusstunden bei einer Kündigung?

Bei einer Kündigung hängt der Umgang mit Minusstunden von der Ursache ab. Hat der Arbeitgeber die Minusstunden durch seinen Annahmeverzug verursacht (z.B. zu wenig Arbeit zugewiesen), verfallen sie in der Regel zu seinen Lasten. Haben Sie die Minusstunden selbst verschuldet, kann der Arbeitgeber den ausstehenden Lohn mit Ihrem letzten Gehalt verrechnen. Eine wirksame Klausel im Arbeitsvertrag ist hierfür jedoch Voraussetzung.

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Darf mein Arbeitgeber verlangen, dass ich Minusstunden nacharbeite?

Ja, wenn die Minusstunden rechtmäßig entstanden sind, kann der Arbeitgeber verlangen, dass Sie diese durch Mehrarbeit ausgleichen. Dies muss jedoch im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen zur Arbeitszeit geschehen. Die Anordnung der Nacharbeit muss zudem mit angemessener Vorlauffrist erfolgen und darf Ihre Interessen nicht unbillig beeinträchtigen.

Wie viele Minusstunden darf man maximal haben?

Eine gesetzliche Obergrenze für Minusstunden gibt es nicht. Allerdings muss eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung eine Höchstgrenze festlegen. Diese darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Gerichte haben Klauseln als unwirksam erachtet, die ein zu hohes Defizit an Stunden zuließen. Als Orientierung gilt oft, dass nicht mehr als eine Monatsarbeitszeit an Minusstunden aufgebaut werden sollte.

Gibt es Ausnahmen für bestimmte Branchen wie die Gastronomie?

Nein, die Grundprinzipien des Arbeitsrechts gelten für alle Branchen, auch für die Gastronomie oder den Einzelhandel, die oft von saisonalen Schwankungen betroffen sind. Auch hier trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko. Gerade in diesen Branchen sind flexible Arbeitszeitkonten zwar üblich, aber auch hier müssen die Regelungen klar, transparent und fair sein, um eine Anordnung von Minusstunden zu rechtfertigen. Der Grundsatz des Annahmeverzugs des Arbeitgebers bleibt bestehen.

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