Sie haben eine Abmahnung erhalten und der erste Schreck sitzt tief. Doch was passiert nun? Verschwindet dieses Dokument einfach irgendwann wieder oder bleibt es für immer in Ihrer Personalakte? Die Frage, wie lange eine Abmahnung rechtlich wirksam ist, beschäftigt viele Arbeitnehmer.
In diesem Artikel bringen wir Licht ins Dunkel. Sie erfahren, dass die Antwort nicht immer einfach ist und es entscheidende Unterschiede gibt. Wir zeigen Ihnen, welche Fristen im Arbeitsrecht gelten und welche im Urheberrecht. So wissen Sie genau, was auf Sie zukommt und welche Rechte Sie haben.
- Es gibt keine einheitliche gesetzliche Verjährungsfrist für Abmahnungen im Arbeitsrecht.
- Eine arbeitsrechtliche Abmahnung verliert ihre Warnfunktion meist nach einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren.
- Sie haben einen Anspruch auf die Entfernung einer Abmahnung aus Ihrer Personalakte, wenn diese unberechtigt war oder ihre Wirkung verloren hat.
- Im Urheberrecht verjähren die mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche, wie Schadensersatz, in der Regel nach drei Jahren.
- Die Verjährungsfrist im Urheberrecht beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruchsteller Kenntnis von dem Verstoß erlangt hat.
Die Abmahnung im Arbeitsrecht: Mehr als nur ein Dokument
Eine Abmahnung im Arbeitsverhältnis ist ein formeller Hinweis Ihres Arbeitgebers auf ein Fehlverhalten. Sie hat zwei zentrale Funktionen. Erstens dokumentiert sie den Vertragsverstoß (Rügefunktion). Zweitens warnt sie Sie eindringlich, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen (Warnfunktion).
Diese Warnfunktion ist entscheidend. Sie ist in der Regel die notwendige Voraussetzung für eine spätere verhaltensbedingte Kündigung. Ohne eine vorherige, einschlägige Abmahnung ist eine solche Kündigung meist unwirksam. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in ständiger Rechtsprechung bestätigt.
Wann verjährt eine Abmahnung im Arbeitsrecht? Eine Frage ohne pauschale Antwort
Viele Arbeitnehmer fragen sich: Wann verjährt eine Abmahnung? Die direkte Antwort aus dem Gesetzbuch bleiben Juristen hier schuldig. Anders als bei vielen anderen rechtlichen Ansprüchen gibt es für die „Haltbarkeit“ einer arbeitsrechtlichen Abmahnung keine starre, gesetzlich definierte Verjährungsfrist.
Stattdessen hat sich durch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ein Grundsatz etabliert. Eine Abmahnung verliert mit der Zeit ihre rechtliche Wirkung, insbesondere ihre Warnfunktion. Wenn Sie sich über einen längeren Zeitraum tadellos verhalten, kann der Arbeitgeber eine Jahre zurückliegende Abmahnung nicht mehr als Grundlage für eine Kündigung heranziehen.
Wie lange bleibt die Abmahnung in der Personalakte?
Ihr Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ist ein wichtiger Hebel. Dieser Anspruch besteht nicht nur, wenn die Abmahnung von Anfang an sachlich falsch oder formell fehlerhaft war.
Sie können die Entfernung auch dann verlangen, wenn die Abmahnung durch Zeitablauf und Ihr anschließendes Wohlverhalten ihre Bedeutung verloren hat. Der Arbeitgeber hat dann kein schutzwürdiges Interesse mehr daran, das Dokument weiterhin aufzubewahren.
Der Rechtsgrundsatz der „Verwirkung“ spielt hier eine entscheidende Rolle. Ein Recht ist verwirkt, wenn es längere Zeit nicht ausgeübt wurde und der andere Teil darauf vertrauen durfte, dass es auch nicht mehr geltend gemacht wird.
Faktoren, die die Frist beeinflussen
Wie lange ist nun „lange genug“? Die Gerichte entscheiden dies immer im Einzelfall. Als grobe Faustregel hat sich ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren etabliert.
Die genaue Dauer hängt aber stark von der Schwere des vorgeworfenen Pflichtverstoßes ab. Eine einmalige, geringfügige Verspätung verliert ihre Warnwirkung deutlich schneller als eine schwerwiegende Störung des Betriebsfriedens. Ihr Verhalten nach der Abmahnung ist ebenso entscheidend.
Die folgende Tabelle gibt Ihnen einige Richtwerte, die von Arbeitsgerichten in Deutschland häufig als Orientierung genutzt werden.
Art des Pflichtverstoßes | Ungefährer Zeitrahmen bis zum Verlust der Warnfunktion |
Geringfügige Pflichtverletzung (z.B. einmalige Verspätung) | ca. 6 Monate bis 1 Jahr |
Mittelschwere Pflichtverletzung (z.B. wiederholte Unpünktlichkeit) | ca. 2 bis 3 Jahre |
Schwere Pflichtverletzung (z.B. Störung des Betriebsfriedens) | über 3 Jahre, im Einzelfall auch länger |
Ihre Rechte als Arbeitnehmer nach einer Abmahnung
Sie sind einer Abmahnung nicht schutzlos ausgeliefert. Ihnen stehen mehrere Wege offen, um auf das Schreiben Ihres Arbeitgebers zu reagieren und Ihre Position zu stärken.
Welcher Weg der richtige ist, hängt von Ihrer individuellen Situation und der Berechtigung der Abmahnung ab.
- Gegendarstellung verfassen: Sie haben das Recht, Ihre Sicht der Dinge schriftlich zu schildern. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diese Gegendarstellung zu Ihrer Personalakte zu nehmen. Dies ist oft der erste und diplomatischste Schritt.
- Entfernung fordern: Ist die Abmahnung unberechtigt oder hat sie ihre Warnfunktion verloren, sollten Sie den Arbeitgeber schriftlich zur Entfernung auffordern. Setzen Sie hierfür eine angemessene Frist.
- Beschwerde beim Betriebsrat: Sofern in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, können Sie diesen um Unterstützung und Vermittlung bitten. Der Betriebsrat kann die Berechtigung der Abmahnung prüfen.
- Klage erheben: Wenn der Arbeitgeber die Entfernung verweigert, bleibt Ihnen als letztes Mittel die Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht. Ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht kann Ihre Erfolgsaussichten prüfen.
Sonderfall Urheberrecht: Klare Fristen nach BGB
Völlig anders sieht die Situation bei Abmahnungen außerhalb des Arbeitsrechts aus, zum Beispiel im Urheberrecht. Haben Sie eine Abmahnung wegen Filesharing oder einer illegalen Bildnutzung von einer Kanzlei erhalten, geht es um handfeste finanzielle Forderungen.
Hier greift das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Die in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche, also vor allem der Anspruch auf Schadensersatz und der Unterlassungsanspruch, unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist.
Diese beträgt nach § 195 BGB genau drei Jahre.
Die Frist beginnt nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (also der Rechteinhaber) von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Ein Beispiel: Eine Urheberrechtsverletzung geschah im Mai 2024. Die Abmahnkanzlei erfährt davon im Juni 2024. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt am 31. Dezember 2024 und endet somit am 31. Dezember 2027.
Nicht nur der Schadensersatzanspruch verjährt. Auch der Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten für die Abmahnung, der sogenannte Aufwendungsersatzanspruch, verjährt innerhalb dieser dreijährigen Frist.
Fazit
Die Frage nach der Verjährung einer Abmahnung lässt sich nicht pauschal beantworten. Im Arbeitsrecht verliert eine Abmahnung ihre Wirkung meist nach zwei bis drei Jahren tadellosen Verhaltens, ohne dass es eine feste gesetzliche Frist gibt.
Im Urheberrecht hingegen sind die Fristen klar: Hier verjähren die finanziellen Ansprüche in der Regel nach drei Jahren. Es ist entscheidend, diese Unterschiede zu kennen, um die eigene Situation korrekt einschätzen zu können. Zögern Sie nicht, bei Unklarheiten oder unberechtigten Forderungen einen Rechtsanwalt zu konsultieren, um Ihre Rechte wirksam durchzusetzen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was passiert, wenn ich nach einer Abmahnung erneut einen Fehler mache?
Begeht ein Arbeitnehmer nach einer Abmahnung ein gleichartiges Fehlverhalten, kann der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Die Warnfunktion der ersten Abmahnung wurde sozusagen „aktiviert“. Die vorherige Abmahnung dient dann als Beweis dafür, dass der Arbeitnehmer bereits gewarnt wurde und sein Verhalten dennoch nicht geändert hat. Sie stützt die negative Zukunftsprognose des Arbeitgebers, die für eine Kündigung erforderlich ist.
Muss mein Arbeitgeber mich über die Entfernung der Abmahnung informieren?
Nein, der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, von sich aus tätig zu werden und Sie über die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu informieren. Als Arbeitnehmer müssen Sie Ihren Anspruch auf Entfernung aktiv geltend machen. Es ist ratsam, dies schriftlich zu tun und um eine schriftliche Bestätigung der Entfernung zu bitten, um einen Nachweis zu haben.
Kann eine Abmahnung auch mündlich erfolgen?
Ja, eine Abmahnung ist rechtlich nicht an die Schriftform gebunden und kann daher auch mündlich ausgesprochen werden. Aus Beweisgründen wählen Arbeitgeber jedoch fast immer die Schriftform. Eine mündliche Abmahnung ist im Streitfall vor Gericht nur schwer nachweisbar. Daher hat eine schriftliche Abmahnung, deren Zugang der Arbeitgeber belegen kann, eine weitaus höhere rechtliche Durchschlagskraft.
Verjährt auch der Anspruch auf eine Gegendarstellung?
Nein, der Anspruch des Arbeitnehmers auf Aufnahme einer Gegendarstellung in die Personalakte verjährt nicht. Solange die Abmahnung Teil Ihrer Akte ist, können Sie jederzeit eine schriftliche Gegendarstellung einreichen. Dieses Recht ist in § 83 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) verankert und gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Sicht der Dinge für die Akte festzuhalten, unabhängig davon, wie viel Zeit vergangen ist.