Kündigungsschutzklage ohne Anwalt: Ihr Wegweiser durch das Arbeitsgericht

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Kündigungsschutzklage ohne Anwalt: Ihr Wegweiser durch das Arbeitsgericht
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Sie halten Ihre Kündigung in den Händen und fühlen sich ungerecht behandelt? Dieser Moment ist oft ein Schock und wirft viele Fragen auf. Der Gedanke an einen teuren Rechtsstreit kann entmutigend sein. Doch was, wenn es einen Weg gäbe, sich zu wehren, ohne sofort tief in die Tasche greifen zu müssen?

Eine Kündigungsschutzklage ohne Anwalt ist unter bestimmten Umständen möglich und oft der erste Schritt, um Ihre Rechte zu wahren. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie vorgehen, welche Fristen entscheidend sind und welche Chancen und Risiken Sie erwarten.

Das Wichtigste in Kürze
  • Vor dem Arbeitsgericht besteht in der ersten Instanz kein Anwaltszwang. Sie können selbst Klage einreichen.
  • Die wichtigste Regel: Sie müssen die Klage innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der schriftlichen Kündigung einreichen.
  • Die Rechtsantragstelle des zuständigen Arbeitsgerichts hilft Ihnen kostenlos bei der Formulierung und Einreichung der Klageschrift.
  • Das erste Ziel des Verfahrens ist meist ein Gütetermin, bei dem oft ein Vergleich mit einer Abfindung ausgehandelt wird.
  • Auch ohne Anwalt entstehen Kosten, wie Gerichtskosten, die bei einer Niederlage von Ihnen zu tragen sind.

Was ist eine Kündigungsschutzklage?

Eine Kündigungsschutzklage ist Ihr rechtliches Mittel, um eine Kündigung durch Ihren Arbeitgeber gerichtlich überprüfen zu lassen. Das Ziel ist die Feststellung, dass die Kündigung unwirksam ist und Ihr Arbeitsverhältnis weiterhin besteht.

Sie fechten die Entscheidung Ihres Arbeitgebers also offiziell an. Das zuständige Gericht ist hierfür immer das Arbeitsgericht. Oftmals führt eine solche Klage nicht zur Weiterbeschäftigung, sondern endet mit einem Vergleich, der die Zahlung einer Abfindung vorsieht.

Kündigungsschutzklage ohne Anwalt: Ist das wirklich möglich?

Ja, das ist es. Im deutschen Arbeitsrecht gibt es eine wichtige Besonderheit. Vor den Arbeitsgerichten in der ersten Instanz herrscht kein Anwaltszwang. Das bedeutet, Sie als Arbeitnehmer können Ihre Klage selbst einreichen und den Prozess führen, ohne einen Rechtsanwalt beauftragen zu müssen.

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Diese Regelung soll den Zugang zum Recht erleichtern. Sie soll sicherstellen, dass jeder Arbeitnehmer, unabhängig von seinen finanziellen Mitteln, die Chance hat, eine potenziell unwirksame Kündigung prüfen zu lassen. Erst in der nächsten Instanz, vor dem Landesarbeitsgericht, ist eine anwaltliche Vertretung zwingend vorgeschrieben.

Ergänzendes Wissen

Der Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ist darauf ausgelegt, eine schnelle und einvernehmliche Lösung zu finden. Der Richter agiert hierbei oft als Vermittler, um einen langen und teuren Rechtsstreit für beide Seiten zu vermeiden.

Der entscheidende Faktor: Die 3-Wochen-Frist

Wenn Sie eine Kündigungsschutzklage in Erwägung ziehen, ist ein Datum von allerentscheidender Bedeutung. Sie müssen Ihre Klage zwingend innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht einreichen.

Was bedeutet „Zugang“?

Das ist der Zeitpunkt, an dem das Kündigungsschreiben in Ihren Machtbereich gelangt, also typischerweise in Ihrem Briefkasten liegt. Es spielt keine Rolle, wann Sie es tatsächlich lesen.

Wird diese Klagefrist, die in § 4 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) verankert ist, versäumt, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam. Auch wenn die Kündigung schwere Fehler enthielt, können Sie dann in der Regel nichts mehr dagegen unternehmen. Handeln Sie also schnell.

Schritt für Schritt: So reichen Sie Klage ein

Der Weg zur Klageerhebung ist klar strukturiert. Wenn Sie sich für eine Kündigungsschutzklage ohne Anwalt entscheiden, ist Ihr erster und wichtigster Anlaufpunkt die Rechtsantragstelle des Gerichts.

Der Gang zur Rechtsantragstelle

Jedes Arbeitsgericht in Deutschland verfügt über eine Rechtsantragstelle. Dort sitzen Rechtspfleger, deren Aufgabe es ist, Bürgern bei der Klageerhebung zu helfen. Dieser Service ist für Sie kostenlos.

Die Mitarbeiter nehmen Ihre Klage mündlich zu Protokoll. Das bedeutet, Sie schildern Ihren Fall, und der Rechtspfleger formuliert daraus eine korrekte Klageschrift. So stellen Sie sicher, dass Ihre Klage alle formalen Anforderungen erfüllt.

Bringen Sie unbedingt folgende Unterlagen mit:

  • Das Kündigungsschreiben im Original
  • Ihren Arbeitsvertrag
  • Die letzten drei Gehaltsabrechnungen
  • Ihren Personalausweis

Was muss in der Klageschrift stehen?

Die Klageschrift ist das zentrale Dokument. Sie muss bestimmte Informationen enthalten, damit das Gericht Ihr Anliegen bearbeiten kann. Der Rechtspfleger wird sicherstellen, dass alle Punkte enthalten sind.

Dazu gehören:

  • Ihr vollständiger Name und Ihre Anschrift (als Kläger)
  • Der Name und die Anschrift Ihres Arbeitgebers (als Beklagter)
  • Der konkrete Antrag, zum Beispiel: „Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom [Datum] nicht aufgelöst worden ist.“
  • Eine kurze Begründung, warum Sie die Kündigung für sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen für unwirksam halten.

Der Ablauf des Verfahrens am Arbeitsgericht

Nachdem die Klage eingereicht wurde, nimmt das Verfahren seinen Lauf. Der Prozess ist in zwei wesentliche Abschnitte unterteilt: den Gütetermin und, falls dieser scheitert, den Kammertermin.

Der Gütetermin

Kurz nach Klageeinreichung erhalten Sie und Ihr Arbeitgeber eine Einladung zum Gütetermin. Dieser findet meist schon zwei bis vier Wochen später statt. Ziel dieses Termins ist es, eine gütliche Einigung zu erzielen.

Der Termin wird nur von einem Berufsrichter geleitet. Er wird sich den Fall kurz schildern lassen und eine erste rechtliche Einschätzung abgeben. Oft schlägt der Richter direkt einen Vergleich vor. Dieser beinhaltet meist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Datum gegen Zahlung einer Abfindung. Viele Verfahren enden bereits hier.

Der Kammertermin

Kommt im Gütetermin keine Einigung zustande, geht das Verfahren in die nächste Runde: den Kammertermin. Dieser findet einige Monate später statt.

Hier wird die Sache streitig verhandelt. Die Kammer besteht aus dem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern – je einem Vertreter der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite. In diesem Termin müssen Sie Ihre Argumente und Beweise vorbringen, warum die Kündigung unwirksam ist. Der Arbeitgeber muss im Gegenzug die Kündigungsgründe darlegen und beweisen. Am Ende steht ein Urteil.

Kosten und Risiken einer Klage ohne Anwalt

Eine Kündigungsschutzklage ohne Anwalt spart zwar die Anwaltskosten, ist aber nicht völlig frei von finanziellen Risiken. Die Kostenstruktur im Arbeitsrecht der ersten Instanz ist speziell.

Ein Grundsatz lautet: Jede Partei trägt ihre eigenen Anwaltskosten selbst, egal, wie der Prozess ausgeht. Wenn Sie also gewinnen, müssen Sie die Kosten für den Anwalt Ihres Arbeitgebers nicht übernehmen. Umgekehrt erstattet Ihnen aber auch niemand Ihre eigenen Anwaltskosten. Wenn Sie ohne Anwalt klagen, fällt dieser Posten für Sie weg.

Die Gerichtskosten hingegen muss die unterlegene Partei tragen. Schließen Sie einen Vergleich, entfallen die Gerichtskosten meist vollständig oder werden geteilt.

KostenartWer trägt die Kosten? (1. Instanz)
GerichtskostenDie Partei, die den Prozess verliert. Bei einem Vergleich entfallen sie oft.
Eigene AnwaltskostenTragen Sie immer selbst, auch wenn Sie gewinnen.
Anwaltskosten des GegnersTrägt der Arbeitgeber immer selbst.
Sonstige Auslagen (Fahrtkosten etc.)Tragen Sie immer selbst.

Für Personen mit geringem Einkommen besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Wird diese bewilligt, übernimmt die Staatskasse die Gerichtskosten und die Kosten für einen eventuell doch noch beauftragten Anwalt.

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Vor- und Nachteile im Überblick

Die Entscheidung für oder gegen eine Kündigungsschutzklage ohne Anwalt sollten Sie gut abwägen.

Vorteile:

  • Erhebliche Kostenersparnis: Sie sparen sich das Anwaltshonorar, das schnell mehrere tausend Euro betragen kann.
  • Volle Kontrolle: Sie führen das Verfahren selbst und treffen alle Entscheidungen direkt.
  • Niedrige Hürde: Die Rechtsantragstelle ermöglicht einen einfachen und kostenlosen Zugang zum Gericht.

Nachteile:

  • Fehlende Fachkenntnis: Ihnen fehlt das juristische Wissen, um die Rechtslage, die Argumente des Arbeitgebers und die Erfolgsaussichten fundiert einzuschätzen.
  • Emotionale Belastung: Einem erfahrenen Anwalt der Gegenseite gegenüberzustehen, ist psychisch anspruchsvoll.
  • Verhandlungsnachteile: Bei Vergleichsverhandlungen über eine Abfindung könnten Sie eine zu geringe Summe akzeptieren, da Sie die üblichen Höhen nicht kennen.
  • Risiko für Formfehler: Trotz der Hilfe der Rechtsantragstelle können im laufenden Verfahren formale Fehler unterlaufen.

Fazit

Eine Kündigungsschutzklage ohne Anwalt ist vor dem Arbeitsgericht eine realistische Option. Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Abschaffung des Anwaltszwangs in der ersten Instanz und der Einrichtung der Rechtsantragstellen eine bürgerfreundliche Möglichkeit geschaffen, sich gegen eine Kündigung zu wehren.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt im schnellen Handeln, um die dreiwöchige Klagefrist nicht zu versäumen. Wägen Sie die Chancen und Risiken sorgfältig ab und entscheiden Sie basierend auf der Komplexität Ihres Falles, ob Sie diesen Weg allein beschreiten möchten.

FAQ: Häufig gestellte Fragen

Was kostet eine Kündigungsschutzklage ohne Anwalt?

Ohne Anwalt fallen für Sie zunächst keine Anwaltskosten an. Sie müssen jedoch mit Gerichtskosten rechnen, falls Sie den Prozess verlieren. Die Höhe der Gerichtskosten richtet sich nach dem Streitwert, der in der Regel drei Bruttomonatsgehältern entspricht. Schließen Sie vor Gericht einen Vergleich, entfallen die Gerichtskosten meistens. Ihre persönlichen Auslagen, wie Fahrtkosten, tragen Sie immer selbst.

Wie hoch ist die Abfindung normalerweise?

Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. Sie ist reine Verhandlungssache. Eine gängige Faustformel, die oft von Gerichten zur Orientierung genutzt wird, ist ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Je nach Stärke Ihrer Rechtsposition, Verhandlungsgeschick und den Umständen der Kündigung kann die Abfindung aber auch deutlich höher oder niedriger ausfallen.

Kann ich die Klage auch per E-Mail einreichen?

Nein, eine einfache E-Mail ist zur Klageerhebung nicht ausreichend, da sie die rechtlichen Anforderungen an die Schriftform nicht erfüllt. Sie müssen die Klage persönlich bei der Rechtsantragstelle zu Protokoll geben, sie per Post oder Fax an das Gericht senden oder sie über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) oder das Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) einreichen, was spezielle technische Voraussetzungen erfordert.

Was passiert, wenn ich den Gütetermin verpasse?

Wenn Sie den Gütetermin ohne triftigen Grund versäumen, kann das Gericht ein sogenanntes Versäumnisurteil gegen Sie erlassen. Das bedeutet, die Klage wird abgewiesen, und die Kündigung gilt als wirksam. Sie müssten dann die Gerichtskosten tragen. Es ist daher extrem wichtig, diesen Termin wahrzunehmen oder sich bei Krankheit rechtzeitig unter Vorlage eines Attestes zu entschuldigen und eine Verlegung zu beantragen.

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