Endlich ist das Projekt abgeschlossen, die Überstunden haben sich gestapelt und der Jahresurlaub ist fast noch unangetastet. Viele Arbeitnehmer stellen sich in dieser Situation eine verlockende Frage. Kann ich mir meine restlichen Urlaubstage nicht einfach auszahlen lassen?
Das zusätzliche Gehalt wäre sicher willkommen. Doch der Gesetzgeber hat hier klare Riegel vorgeschoben.
Wir von berufsordnung.de klären Sie umfassend auf. Erfahren Sie, wann eine sogenannte Urlaubsabgeltung rechtlich verpflichtend ist und welche steuerlichen Fallen lauern.
- Grundsatz der Erholung: Während eines laufenden Arbeitsverhältnisses ist das Auszahlen von gesetzlichem Mindesturlaub verboten; der Urlaub dient der Erholung.
- Die Ausnahme: Lediglich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung, Renteneintritt, Aufhebungsvertrag) besteht ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung.
- Steuerfalle: Die Auszahlung gilt als „sonstiger Bezug“ und ist voll steuer- sowie sozialversicherungspflichtig.
- Berechnungsgrundlage: Maßgeblich ist das durchschnittliche Bruttogehalt der letzten 13 Wochen vor Ausscheiden.
- Langzeiterkrankung: Ansprüche bestehen auch bei Krankheit, verfallen jedoch oft 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.
Der gesetzliche Rahmen: Erholung geht vor Geld
Der Wunsch nach einer Auszahlung ist verständlich. Vielleicht sparen Sie auf ein Eigenheim oder benötigen kurzfristig Liquidität. Doch das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfolgt ein anderes Ziel.
Es geht um Ihren Gesundheitsschutz.
Der Gesetzgeber sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer eine Zeit der Erholung benötigt, um seine Arbeitskraft langfristig zu erhalten. § 7 Abs. 4 BUrlG ist hier eindeutig. Eine Abgeltung des Urlaubs ist nur dann zulässig, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann.
Solange Ihr Arbeitsvertrag läuft, ist der Tausch „Geld gegen Freizeit“ beim gesetzlichen Mindesturlaub also tabu.
Was gilt für vertraglichen Zusatzurlaub?
Hier lohnt sich ein genauer Blick in Ihren Arbeitsvertrag oder den geltenden Tarifvertrag.
Oft gewähren Arbeitgeber mehr Urlaubstage als die gesetzlich vorgeschriebenen 20 Tage (bei einer 5-Tage-Woche). Für diesen übergesetzlichen Mehrurlaub können andere Regeln vereinbart werden.
Gibt es hier keine explizite Regelung, wird dieser meist wie der gesetzliche Urlaub behandelt. Wir empfehlen Ihnen daher, das Gespräch mit der Personalabteilung zu suchen.
Urlaubsabgeltung: Der Anspruch bei Kündigung
Das Arbeitsverhältnis endet. Sei es durch eine eigene Kündigung, einen Aufhebungsvertrag, den Renteneintritt oder eine Kündigung durch den Arbeitgeber.
Jetzt ändert sich die Rechtslage komplett.
Da Sie die Firma verlassen, können Sie den Urlaub in der Zukunft logischerweise nicht mehr zur Erholung im Betrieb nutzen. Haben Sie bis zum letzten Arbeitstag noch Resturlaub auf dem Konto, muss der Arbeitgeber diesen finanziell ausgleichen.
Dies nennt man Urlaubsabgeltung.
Dabei ist es unerheblich, wer gekündigt hat oder ob die Kündigung fristlos erfolgte. Der Anspruch entsteht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.
Ergänzender Tipp: Lassen Sie sich eine Urlaubsbescheinigung ausstellen. Diese benötigt Ihr neuer Arbeitgeber, um auszuschließen, dass Sie Urlaub doppelt (beim alten und neuen Job) beanspruchen.
So berechnen wir Ihren Anspruch
Wie viel ist ein Urlaubstag eigentlich wert?
Diese Frage führt oft zu Streitigkeiten. Die Berechnung basiert auf dem Bundesurlaubsgesetz. Relevant ist das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten 13 Wochen vor Austritt.
Überstundenzuschläge werden meist nicht berücksichtigt, es sei denn, sie fallen regelmäßig an. Einmalige Zahlungen wie Weihnachtsgeld bleiben meist außen vor.
Um den Wert eines Tages zu ermitteln, nutzen wir folgende Formel: (Gesamtbruttolohn der letzten 13 Wochen / 65 Arbeitstage) = Tagessatz
Dies gilt bei einer 5-Tage-Woche (13 Wochen x 5 Tage = 65 Tage).
Hier eine beispielhafte Berechnung für ein Bruttogehalt von 3.000 Euro monatlich:
| Position | Berechnungsweg | Ergebnis |
|---|---|---|
| Bruttogehalt (Monat) | 3.000 € | 3.000,00 € |
| Quartalsgehalt (13 Wochen) | 3.000 € x 3 Monate | 9.000,00 € |
| Arbeitstage im Quartal | 13 Wochen x 5 Tage | 65 Tage |
| Wert pro Urlaubstag | 9.000 € / 65 Tage | 138,46 € |
| Resturlaubstage | Angenommen 10 Tage | 10 Tage |
| Brutto-Urlaubsabgeltung | 138,46 € x 10 Tage | 1.384,60 € |
Haben Sie eine variable Vergütung, etwa Provisionen, müssen diese in den Durchschnitt einfließen. Das erhöht Ihren Tagessatz signifikant.
Steuerliche Abzüge: Was bleibt netto übrig?
Die Freude über die Brutto-Summe währt oft nur kurz.
Wenn Sie sich Urlaubstage auszahlen lassen, handelt es sich steuerrechtlich um einen „sonstigen Bezug“. Das Finanzamt greift hier zu. Da diese Zahlung zusätzlich zum normalen Gehalt fließt, rutschen Sie in diesem Monat oft in eine höhere Progressionsstufe.
Die Abzüge sind spürbar.
Folgende Posten mindern die Auszahlung:
- Lohnsteuer (oft erhöht durch die Einmalzahlung)
- Solidaritätszuschlag
- Kirchensteuer (falls zutreffend)
- Beiträge zur Rentenversicherung
- Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
- Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
Es gibt keine Steuerbefreiung für die Urlaubsabgeltung. Sie müssen damit rechnen, dass von der Brutto-Summe oft nur gut die Hälfte auf dem Konto ankommt.
Auswirkung auf das Arbeitslosengeld
Dieser Punkt wird häufig übersehen.
Wenn Sie nach der Kündigung Arbeitslosengeld I beziehen möchten, hat die Urlaubsabgeltung eine direkte Auswirkung. Die Agentur für Arbeit geht davon aus, dass das Arbeitsverhältnis faktisch noch „lebt“, solange der bezahlte Urlaub reichen würde.
Das Resultat? Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.
Das bedeutet nicht, dass Ihr Anspruch gekürzt wird. Er verschiebt sich lediglich nach hinten. Der Beginn der Zahlung startet erst, wenn die abgegoltenen Urlaubstage fiktiv abgelaufen sind.
Planen Sie diese Lücke in Ihrer Liquidität unbedingt ein.
Spezialfälle: Krankheit, Elternzeit und Tod
Was passiert, wenn Sie wegen Krankheit gar keinen Urlaub nehmen konnten?
Früher verfiel dieser Urlaub ersatzlos. Der EuGH und das Bundesarbeitsgericht haben hier jedoch arbeitnehmerfreundliche Urteile gefällt. Endet das Arbeitsverhältnis und Sie sind weiterhin arbeitsunfähig krank, haben Sie Anspruch auf Abgeltung.
Dabei gilt jedoch eine zeitliche Grenze. Der Urlaubsanspruch verfällt bei dauerhafter Krankheit erst 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.
Ähnliches gilt oft nach der Elternzeit: Endet das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit oder währenddessen, muss der noch bestehende Resturlaub ausgezahlt werden.
Ein trauriges Thema: Todesfall Verstirbt ein Arbeitnehmer, ist der Urlaubsanspruch vererbbar. Die Erben können vom ehemaligen Arbeitgeber eine finanzielle Abgeltung verlangen (EuGH-Rechtsprechung).
Verjährung und Mitwirkungspflicht
Wann verjährt eigentlich mein Anspruch auf Auszahlung?
Grundsätzlich gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
Doch es gibt eine wichtige Einschränkung.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers gestärkt. Der Urlaub verjährt nur dann, wenn der Arbeitgeber Sie explizit aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und Sie über den drohenden Verfall belehrt hat.
Hat der Chef geschwiegen? Dann bleibt Ihr Urlaubsanspruch oft über Jahre bestehen.
Ergänzender Tipp: Prüfen Sie bei einem Aufhebungsvertrag unbedingt, ob die „Ausgleichsklausel“ Ihre Urlaubsansprüche versehentlich mit abgilt – bestehen Sie auf eine klare Regelung zur Auszahlung.
Fazit
Sich Urlaubstage auszahlen zu lassen ist kein Wunschkonzert, sondern eine Ausnahme für das Ende eines Jobs.
Wir von berufsordnung.de raten Ihnen: Nehmen Sie Ihren Urlaub, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Die Erholung ist wertvoller als die oft hoch besteuerte Einmalzahlung. Steht jedoch eine Kündigung im Raum, sollten Sie hartnäckig bleiben.
Rechnen Sie genau nach. Prüfen Sie Ihre Lohnabrechnung und die Lohnsteuerbescheinigung. Verschenken Sie keinen Cent, der Ihnen für geleistete Arbeit zusteht.
FAQ – Häufige Fragen zur Urlaubsabgeltung
Kann ich auf meinen Urlaub verzichten und dafür Geld verlangen?
Nein, während eines laufenden Arbeitsverhältnisses ist das rechtlich nicht zulässig. Das Bundesurlaubsgesetz schreibt vor, dass der Urlaub der Erholung dienen muss. Eine finanzielle Abgeltung würde diesem Schutzzweck widersprechen und ist unwirksam.
Muss ich Steuern auf die Auszahlung zahlen?
Ja, die Urlaubsabgeltung ist voll steuerpflichtig. Sie gilt als „sonstiger Bezug“ im Sinne des Steuerrechts. Da sie auf das normale Jahresgehalt aufgeschlagen wird, kann dies zu einer höheren steuerlichen Belastung führen (Fünftelregelung kommt meist nicht zur Anwendung).
Was passiert mit meinem Urlaub bei einer fristlosen Kündigung?
Auch bei einer fristlosen Kündigung – egal ob durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – bleibt der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehen. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses spielt für die Auszahlung der bereits erworbenen Urlaubsansprüche keine Rolle.
Wie wirkt sich Kurzarbeit auf die Urlaubsabgeltung aus?
Für Zeiten der Kurzarbeit „Null“ erwirbt man in der Regel keinen Urlaubsanspruch, da die Arbeitspflicht ruht. Der Anspruch kürzt sich anteilig. Besteht jedoch noch alter Resturlaub, muss dieser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Basis des ungekürzten Gehalts berechnet werden.

